Unter einem Dach

Persönliche Erfahrungen unserer Gasteltern
Gastfamilie werden

Unser Alltag mit Eden

Welches Motiv hatten Sie einen minderjährigen Flüchtling aufzunehmen?

Als 2015 die große Zahl an Flüchtlingen nach Deutschland strömte, waren wir emotional sehr bewegt. Wir entschieden uns eine Jugendliche in die Familie aufzunehmen.
Zu unserem 16- und 18-jährigen Söhnen bekamen wir ein 14-jähriges Mädchen aus Eritrea hinzu.

Wie hat die Jugendhilfe Südniedersachsen Sie unterstützt?

Engmaschige Besuche von der Dolmetscherin und dem Betreuer der JSN halfen uns anfangs sehr, sprachliche und kulturelle Verständnisbarrieren zu überwinden.

Welche Rolle spielte Edens Religion im Alltag?

Während unsere Söhne immer wieder politische Themen mit an den Abendbrottisch brachten, waren es bei Eden vor allem die Religion und die, in Deutschland, scheinbar unbegrenzte Möglichkeit zum Konsum, die sie und uns stark beschäftigen sollten.
In meiner Schwiegermutter (ihrer „Oma“) fand Eden eine verständnisvolle Gleichgesinnte, was religiöse Themen anging.

Gab es Stolpersteine beim Schulbesuch?

Mit der Schule hatten wir Glück: die IGS-Geismar, als nächstgelegene Schule, war bereit minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Während Eden Schule bisher als ein äußerst strenges, hierarchisches Gefüge kannte, in dem strikt auswendig gelernt wurde, musste sie sich nun in ein System eingliedern, das auf Gruppenarbeit und Selbstorganisation fußte.
Viele Menschen und Lehrer waren bereit, sich der besonderen Situation zu stellen, und noch heute hat Eden guten Kontakt zu den ersten drei gleichaltrigen Schulpatinnen, die ihr an die Seite gestellt wurden.
Dennoch brauchte es mehrere Schulwechsel, bis Eden drei Jahre später ihren Hauptschulabschluss erwarb.

Was ist für Sie ein Gewinn an Ihrer Erfahrung als Gasteltern?

Inzwischen sind alle drei „Kinder“ aus dem Haus. Eden hat eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau im Bio-Laden begonnen und wohnt selbstständig. Unser Verständnis von „Integration“ ist einem fließenden Prozess unterworfen, den wir mit anderen Gasteltern während der monatlichen Supervisionssitzungen und Fortbildungen der JSN teilen. Uns ist klar geworden: Der Spagat zwischen den Kulturen bleibt für Eden und für uns bestehen und doch glauben wir, dass sie Ihren Platz in dieser Gesellschaft finden wird. Wir möchten die Jahre mit ihr nicht missen und sagen:
Alle Mühe war nötig und alle Mühe scheint Früchte zu tragen.

Ursula H. & Markus S.

Drei Geschwister in unserem Haus

Im Jahr 2015 habe ich über die Jugendhilfe Südniedersachsen einen seinerzeit 16jährigen jungen Eritreer bei mir aufgenommen. Ich hatte den Platz im Haus, war mir etwaig notwendiger familiärer Unterstützung und des Netzwerkes der Jugendhilfe sicher und war geleitet von dem Drang, nach den Bildern von der Fluchtwelle im TV gerade für die jungen Menschen etwas tun zu müssen. Recht schnell kamen noch 2 Brüder hinzu, die bereits auf der Flucht waren und es stellte sich nicht die Frage, ob diese auch bei mir leben sollten. Die Geschwister trennen, das war keine Option.

Meine eigenen Kinder waren inzwischen erwachsen. Es sollte doch möglich sein, diesen jungen Menschen den gleichen Start in ein Leben hier zu ermöglichen…

Ich gebe zu, das war etwas schlicht gedacht. Die Herausforderungen lagen nicht darin, die Jungs mit Lebensmitteln zu versorgen oder ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben. Das ergab sich eher nebenbei. Wichtig war etwas anderes… Sie brauchten ein Zuhause, Sicherheit und Zuneigung in diesem fremden Land.

„Ankommen“ war nicht nur ein physischer Prozess, sondern die Suche nach Orientierung, für die ich ein Wegweiser sein konnte. Das Leben in einer deutschen Familie ist dafür eine „goldene Brücke“, der familiäre Alltag die beste Schule.

„Wo und wie bekomme ich das Geld am Automaten?“, „Was tun, wenn ich krank bin und nicht zur Schule kann?“. Diese und viele unzählige andere Dinge ergeben sich im Alltag nun mal. Mit dem schnellen Erlernen der Sprache, wie das eben auch nur Zuhause geht, ergab sich im täglichen Miteinander in kurzer Zeit eine gute Basis der Kommunikation.

Dabei war ich mir meiner Sache anfangs gar nicht so sicher. Natürlich möchte auch ich angenehm und gut leben können. Machbar ist vieles, aber fühle ich mich denn mit den zunächst fremden Jugendlichen in meinem Haus auch wirklich noch wohl? Ist das nicht Vertrauenssache? Welche Gewohnheiten müsste ich ablegen und welche Einschränkungen bringt das für mich mit sich? Was tun, wenn mir die Sache über den Kopf wächst?

Ich gebe zu, an Einschränkungen, abgelegten Gewohnheiten und auch an Enttäuschungen mangelte es nicht. Sie waren nur ganz anderer Natur als bei meinen eigenen Kindern.

Unnötige Auseinandersetzungen in Behördenangelegenheiten, Neid und Missgunst, manchmal auch nur unterschwellig, waren immer wieder Thema langer Gespräche. Hier war der Betreuer der Jugendhilfe letztlich auch meine große Unterstützung und Ansprechpartner. Das war Teamwork und aus heutiger Sicht würde ich mir wünschen, dass auch jede andere Familie einen Ansprechpartner hat, der sich die Probleme anhört, so verständnisvoll ist und Rat gibt. Andere Unterstützung waren die Gespräche bei den Treffen mit den anderen Eltern unbegleiteter Minderjähriger.

Diese Zeit hat mich nicht nur um neue Familienangehörige und Herzensmenschen bereichert. Auch für die Lebenserfahrung, den Blick über den Tellerrand, die Dankbarkeit und Zuneigung bin ich dankbar.

Ich möchte sie nicht missen.

„Meine Jungs“ sind heute 3 gestandene junge Männer und in der Arbeitswelt angekommen. Sie sind der Sprache mächtig, besitzen den Führerschein und leben in der eigenen Wohnung. Ich bin total stolz darauf, dass sie ihren Weg trotz vieler Beschwerlichkeiten und Hindernisse so zielgerichtet und fleißig gegangen sind. Sie besuchen mich oft und heute lassen wir gerne lächelnd diese Zeit Revue passieren.

Herr K.